Traumahelfer unterstützen bei Selbsthilfe

Von Roland Stöß 06.12.2017 – 18:35 Uhr

Am 27. und 28. Januar ist in Calw ein Seminar für ehrenamtliche Helfer geplant. Für Initiator Rolf Johnen ist es eine „Erste Hilfe für die Seele – Traumahelfer unterstützen Flüchtlingskinder bei ihrer Selbsthilfe“.

Zahlreiche Interessenten besuchten die Informationsveranstaltung und betrachteten den Spiegelbaum im Foyer der VHS. Foto: Stöß 

Vorab betrachtete das Publikum einen Spiegelbaum im Foyer der VHS. Der Calwer Künstler Lothar Hudy und vier syrische Flüchtlinge schufen dieses Kunstwerk, bestehend aus 85 kleinen Spiegeln. Eine Zahl, die an die Lebensjahre Hermann Hesses angelehnt ist. Rolf Johnen erkannte in dem Friedensspiegelbaum einen Weg, „um das kulturelle Miteinander unter den hier Beheimateten und mit den Zugereisten zu fördern“. Der Spiegel diene als zweideutiges Symbol. Einerseits als Zeichen eigener Eitelkeiten und Wollust, andererseits eigener Selbsterkenntnis, Klugheit und Wahrheit. „Jemanden den Spiegel vorhalten oder das Spiegelbild der Seele – beides Redewendungen, die wir alle kennen“, so Johnen.

So war die Spiegelung, die Menschen sich gegenseitig bieten, Bestandteil des Vortrages des Professors der Regensburger Universitätskliniken, Thomas Loew. Beeindruckend war ein Beispiel eines vier Monate alten Fötus im Mutterleib. Dieser zeigte deutliche Reaktionen auf eine gespielte, lautstarke Stressszene im Umfeld der Mutter. Es sollte die erste Traumatisierung eines kleinen Menschenlebens darstellen.

200 Flüchtlingskinder

Ungleich schwerer vorstellbar, mit welchen Gedanken und Träumen ein kleines Kind nach selbst erlebtem oder gesehenen Gewaltverbrechen im Zuge eines Krieges zeitlebens konfrontiert ist, würde ihm nicht geholfen. Doch wer kann das leisten?

Loews Projekt macht inzwischen Schule. Das Thema „Traumatisierung und die Folgen für die Gesellschaft“ ist angekommen. Es wurde allzu deutlich: Die Gesellschaft, muss sich um Traumatisierte kümmern. Denn die Folgen unbehandelter Traumata werden ungleich größer sein. Tatsache sind deutschlandweit 600 000 Flüchtlingskinder. Ein Drittel davon benötigen Hilfe.

Auf Calw übertragen spricht man derzeit von 2000 Flüchtlingen. 600 davon sind Kinder. Ein Drittel davon wären schon 200, so Johnen.

Setzt man die Zahl der professionellen Kinder- und Jugendtherapeuten sowie deren zeitlichen Möglichkeiten dagegen, kann jeder ausrechnen, dass ein Problem besteht. Loew wie Johnen haben erkannt, dass auf Deutschland eine gewaltige Aufgabe zukommt, die mit den derzeitig vorhandenen Kapazitäten nicht gelöst werden kann. „Unser Versorgungssystem ist überfordert“, macht Johnen deutlich. Wenn diese Aufgaben nicht gelöst würden, seien drastische finanzielle und gesellschaftlich Folgen zu befürchten.

Unter der Überschrift „Kriegsschauplatz Gehirn“ beantwortete Loew die Frage „Wie funktioniert der Mensch?“. Er zeigte, wie das kleine Baby die Mutter spiegelt. Das Kind lernt. Gerade bei traumatischen Erlebnissen lerne das Kind und speichere das Erlebte.

Doch wie bewältigt man ein Trauma? Hier biete das Programm Loews Lösungsansätze. Eben dieses Programm, das nun auch in Calw anläuft.

Da die Therapeutenzahl, wie oben geschildert, nicht ausreicht, werden ehrenamtliche Helfer die Kinder betreuen. Alles unter der Obhut eines verantwortlichen Therapeuten. Loew nahm den Anwesenden Ängste.

Seminar vorab

Es wird ein Zwei-Tages-Seminar angeboten, welches Loew leitet. Bei großem Andrang hilft seine Kollegin.

Das Besondere: Das Konzept ist speziell für Laien ausgelegt. Jeder kann mitmachen und sieht sich in die Lage versetzt, traumatisierten Kindern und Jugendlichen hilfreich zur Seite zu stehen. Es sind keine Dolmetscher notwendig. Jeder kann das, sagt Loew. Kinder spielen ihr Leben. „Sie als Helfer sind einfach da und das ist wichtig. Sie wirken schon dadurch, dass Sie dem Kind Aufmerksamkeit widmen, dass Sie zur Verfügung stehen und Beziehung, Verbindlichkeit und Verlässlichkeit anbieten. Wenn Sie entspannt und gelassen sind, wird das Kind ebenso entspannt und gelassen sein. Es erlebt durch Sie etwas, was es ohne Sie nie erlebt hätte. Diese Verlässlichkeit ist gegeben, denn Sie werden mal ausschließlich nur für das eine Kind Partner sein. Verlässlichkeit auch deswegen, dass die Stunden immer zur gleichen Zeit stattfinden.“

Beim Organisator auf Calwer Ebene, Rolf Johnen, laufen nun alle Fäden zusammen. Bei ihm können Interessierte Informationen und Rat einholen. Auch kann man sich für das Zwei-Tages-Seminar im Januar noch bis kurz vor Weihnachten anmelden (rolf.johnen@gmail.com oder Telefon 0 70 51/70 03 19).

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